Testberichte

LINE Messenger: Funktionaler als die Konkurrenz, aber fast so unsicher wie WhatsApp

11. April 2014 von Larissa Weigand

Line
©lw - pswgroup

4
(23)

LINE gehört zu den Messenger-Apps, die eine Alternative zu WhatsApp darstellen wollen. Dabei geht LINE ziemlich plakativ vor: „Gratis“ prangt in der App-Store-Beschreibung in großen Lettern, Selbstverständlichkeiten wie die 24-Stunden-Funktionalität (also dass Anrufe und Nachrichtenversand 24 Stunden am Tag möglich sind) werden mit Ausrufezeichen betont. Es scheint zu wirken: Weltweit sollen über 400 Millionen Nutzer in 231 Ländern unterwegs sein und im 52 Länder-Vergleich, unter anderem mit China, Spanien, Thailand, Singapur, der Schweiz oder Saudi-Arabien, sei die App laut Eigenbeschreibung auf Platz 1 gewesen. Wir haben die App ausführlich getestet.

LINE Messenger gibt es für alle, überall und immer

LINE hat sich erfreulicherweise eine hohe Verbreitung auf die Fahnen geschrieben: Android, iOS, BlackBerry OS, Windows Phone, Nokia Asha, Firefox OS im Mobile- und Windows sowie Mac OS im Desktop-Bereich können mit der App arbeiten. Plattformübergreifend ist das allemal, denn LINE ist die am besten verbreitete Messenger-App, die wir bislang getestet haben. Auf Tablets, Smartphones und reinen WLAN-Geräten funktioniert LINE. In unseren Testanrufen war es irrelevant, ob wir eine eher langsame WLAN-Verbindung, eine 3G-Verbindung oder schnelles WLAN hatten, LINE funktioniert tatsächlich reibungslos.

Messenger-Test_2Die Installation ist denkbar einfach gestaltet: Auf seiner Website stellt LINE Links zu den jeweiligen App Stores der verschiedenen Betriebssysteme bereit, sodass der Download nur einen Klick entfernt ist. Einfach und praktisch – das gefällt uns. Folgen Sie den Anweisungen Ihres Webstores, schon ist die App installiert. Direkt nach dem Start der App werden Sie durch die Einrichtung geführt. Via SMS erhalten Sie einen vierstelligen Code auf Ihr Gerät, den Sie – anders als bei Telegram – auch eingeben müssen. Nun sind Sie unter Ihrer Mobilfunknummer registriert und können in den Einstellungen Ihre vierstellige Nummer in einen Namen ändern, der Ihren Freunden beim Chatten dann als Nutzername angezeigt wird.

Das Hinzufügen von Kontakten erinnert bei LINE an Threema und Telegram: Die App durchwühlt Ihre Adressbuchkontakte und schlägt automatisch jene vor, die selbst LINE nutzen. Zusätzlich können Sie einen Benutzernamen eingeben und wenn Sie eine Person im realen Leben kennenlernen, die Sie gerne hinzufügen möchten, gelingt das mittels QR-Code-Scan. In unserem Test haben wir uns für die Variante entschieden und festgestellt, dass der Code zuverlässig erkannt wurde. Der Kontakt war binnen weniger Sekunden hinzugefügt. Weiter ist es möglich, dass Sie Freunde zu LINE per SMS oder E-Mail einladen.

Nutzerfreundlich und leicht zu bedienen

Messenger-Test_3In der Anwendung zeigt sich LINE äußerst nutzerfreundlich und leicht bedienbar. Ein Menü zeigt die verschiedenen Optionen wie Chat, Timeline, Anrufe und Video-Chats oder Audio Messages. Jeder Einsteiger kann LINE schnell und intuitiv bedienen. Die Funktionalität ist für einen Messenger äußerst umfangreich: In Videoanrufen sehen Sie Ihr Gegenüber, Sprachanrufe erinnern ans gängige Telefonieren, der Nachrichtenversand kann mit Emoticons, Fotos und Standortinformationen erfolgen, in der Timeline sehen Sie Beiträge Ihrer Freunde und können selbst Statusmeldungen mit Text, Bildern, Filmen, Stickern und Standortinformationen senden. Zur maximalen Bild- und Videogröße konnten wir keine Informationen finden, haben uns an den Support gewendet und warten auf Antworten. Auf der Website von LINE können Sie unter iOS und Android Zusatzfeatures installieren, darunter LINE camera, LINE PLAY für personalisierte Avatars und (Multiplayer-)Spiele oder LINE BAND für Gruppenchats. Die Zusatzfeatures sind, wie die App selbst, kostenfrei, teilweise werden In-App-Käufe angeboten.

Die LINE Corporation aus Japan

Hinter LINE steckt die LINE Corporation aus Japan. Ausgehend von der LINE-Website ist es gar nicht so einfach, zur dahinterstehenden Firma zu kommen: Wir sind dem Blog gefolgt und konnten von da aus die Seite der LINE Corporation besuchen, die in englischer oder japanischer Sprache gehalten ist. Auf der Website erfahren wir mehr über die Firma selbst, darüber, was die Firma überhaupt macht – offenbar ist die LINE-App das einzige Steckenpferd. Des Weiteren können wir die Stellenangebote und News einsehen, zudem gibt es Kontaktmöglichkeiten für Business- und Privatkunden.

LINE kam nicht erst nach der Facebook-Übernahme durch WhatsApp auf den Markt, die App existiert bereits seit 2011. Entwickelt wurde sie durch Naver, einer japanischen Tochter vom Koreaner NHN, einem börsennotierten Konzern, der einen Jahresumsatz von etwa zwei Milliarden Dollar verbucht. Damit ist davon auszugehen, dass LINE nicht unter knappen Entwicklerressourcen leidet. LINE finanziert sich durch die In-App-Käufe: Es gibt Sticker, die zuerst gekauft werden müssen, ansonsten ist die App komplett kostenfrei nutzbar, es sei denn, Sie nutzen keinen entsprechenden Datentarif. Ursprünglich war es möglich, Stickerpakete auch zu verschenken, allerdings hatte Apple ein Problem damit: In seinem Blog informierte LINE darüber, dass Sticker-Geschenke gestrichen wurden und man nun nur noch für sich selbst Sticker kaufen kann.

Verschlüsselung und Datenschutz so desaströs wie bei WhatsApp

Messenger-Test_4Ähnlich wie bei WhatsApp stehen bei LINE Optik und Bedienbarkeit im Fokus – das geht auf Kosten der Sicherheit. Auf Ende-zu-Ende-Verschlüsselung verzichtet LINE, die Nachrichten von Gesprächspartnern können also mitgelesen werden. Unter Android versendet die App sogar die IMEI des Device unverschlüsselt. Unter iOS wird Dritten die IDFA unverschlüsselt mitgeteilt, allerdings lässt sich diese Freigabe in den Einstellungen untersagen. Bei iOS-Versionen unter 7 wird zudem die WLAN-Netzwerkadresse verschlüsselt an den App-Anbieter versendet. LINE verzichtet darauf, seinen Quellcode offenzulegen, was die Überprüfung der Verschlüsselung erschwert.

Etwas besser als WhatsApp regelt LINE das Durchwühlen des Adressbuchs: Sie können dem widersprechen und die App auch ohne Auslesen Ihrer Kontakte verwenden. In den AGB ist festgehalten, dass LINE diese jederzeit ohne vorherige Mitteilung an den Nutzer ändern kann. Die AGB sind in englischer, spanischer oder japanischer Sprache auf LINEs Website einsehbar, wer diesen Sprachen nicht mächtig ist, hat Pech. Genauso sieht es mit den Datenschutzbestimmungen aus.

LINE Messenger arbeitet zuverlässig

Weder Messenger-Test_5Sicherheitslücken noch Serverproblematiken, die zu Ausfällen führten, sind bislang über LINE bekannt. Die App arbeitet zuverlässig unter allen gängigen Netzen und Betriebssystemen. Ein Jugendfilter existiert nicht, wenngleich in den AGB festgehalten ist, dass Minderjährige die Zustimmung ihrer Eltern brauchen. Überprüft wird das allerdings nirgends. LINE speichert die freigegebenen Daten auf seinen japanischen Servern. Löschen Sie Ihren Account, werden alle Informationen inklusive Sticker, die registrierte Telefonnummer, Freunde und Gruppen, die Chat-Historie, verknüpfte Apps und die Anmelde-E-Mail-Adresse gelöscht. Damit ist es nicht möglich, einen einmal gelöschten Account wiederherzustellen. XMPP wird von LINE nicht unterstützt.

LINE Messenger ist leicht zu bedienen, hübsch anzusehen, plattformübergreifend und glänzt durch Funktionalität, die andere Messenger nicht bieten. Solange Sie keinen Wert auf wirkungsvolle Sicherheitsaspekte legen, finden Sie in LINE, die funktionale App, die wir bisher getestet haben. Ist Ihnen effektive Sicherheit aber wichtig, zeigt sich LINE genauso unzureichend wie WhatsApp. AGB-Änderungen, ohne dass Sie davon in Kenntnis gesetzt werden, fehlende Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und nur fremdsprachige AGB und Datenschutzbestimmungen sorgen für ein unzureichendes Ergebnis. Vorteilig gegenüber WhatsApp ist allerdings, dass Sie für die App nichts bezahlen brauchen, wenn Sie keine In-App-Käufe abschließen, und dass Ihr Telefonbuch zur Nutzung des Messengers nicht durchwühlt werden muss.

 

Zusammenfassung zum LINE Messenger

  • Verbreitung: alle gängigen Mobilsysteme, Mac & Windows
  • Einschränkungen: Linux
  • Installation: einfach
  • Kontakte rüberziehen: einfach
  • Optik/ Bedienbarkeit: ansprechend & einfach, sehr umfangreicher Funktionsumfang
  • Flexibilität: Fotos, Videos, Sprachnachrichten – zur maximalen Versandgröße bislang keine Aussagen
  • Kosten: kostenfrei, In-App-Käufe möglich
  • Orga/ Land hinter dem Service: LINE Corporation, Japan
  • Verschlüsselung: keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, IMEI wird unter Android unverschlüsselt an Dritte gesendet
  • Quellcode: nicht quelloffen
  • Datenschutz:  intransparent, nicht in deutscher Sprache verfügbar
  • AGB:  intransparent, nicht in deutscher Sprache verfügbar
  • Zuverlässigkeit: sehr gut
  • Sicherheitsprobleme: keine
  • Jugendfilter: nicht vorhanden
  • Datenspeicherung: auf japanischen Servern, nach dem Löschen des Accounts werden die Daten auch auf den Servern gelöscht
  • XMPP: nein
  • Finanzierung: durch In-App-Käufe (Stickerpakete)

 

Wie hat Ihnen dieser Artikel gefallen?

Average rating 4 / 5. Vote count: 23


17 Kommentar(e)

Schreibe einen Kommentar

* Die DSGVO-Checkbox ist ein Pflichtfeld

*

Ich stimme zu

Auf dieses Thema gibt es 17 Reaktionen